Unternehmen sind keine Software. Was erstmal ziemlich logisch klingt, wird, wenn es um IT Architektur geht, leider ziemlich häufig verwechselt. In vielen Unternehmen ist es ein normaler Karrierepfad, dass aus Software Architekten Enterprise Architekten (zu Deutsch: Unternehmensarchitekten) werden. Dass das nicht sinnvoll ist und ein guter Software Architekt noch sehr lange kein guter Unternehmensarchitekt ist, möchte ich hier zeigen.
Dieses Bild zeigt sinnvolle Karrierepfade. Während der Weg vom Software Engineer zum Software Architekt und zum Solution Architekt (Lösungsarchitekt) genauso schlüssig ist, wie der vom Business Engineer zum Business Architekt und dann zum Solution Architekt, ist der Weg zum Enterprise Architekt nicht so klar.
Die beiden Pfade, die zum Lösungsarchitekten führen, bauen in ihren Kompetenzen aufeinander auf und zeichnen sich auch durch eine Zunahme an Wissen aus. Ein Enterprise Architekt weiß aber nicht zwangsläufig mehr als ein Solution Architekt, ein Business Architekt oder ein Software Architekt. Er braucht viel mehr andere Fähigkeiten. Das ist der Grund, warum man auch als „Quereinsteiger“, zum Beispiel als Projektleiter durchaus ein guter Enterprise Architekt werden kann. Es ist sogar sehr viel naheliegender, denn als Projektleiter Software Architekt zu werden.
Wissen, das in bestimmten Bereichen wächst und Fähigkeiten, die ausgeprägter werden, sind die Schlüsselelemente auf dem Weg eines Architekten. Das folgende Wissen und die Fähigkeiten spielen hierbei eine Rolle:
Wissen
Technisches Wissen
Das Wissen über verschiedene Technologien, wie Programmiersprachen, Architekturmuster, Cloudtechnologien, etc.
- niedrig: Beherrscht grundlegende Technologien und hat fundierte Kenntnisse in einem bestimmten Bereich. Kann einfache Probleme lösen, benötigt jedoch Unterstützung bei komplexen Aufgaben und bei der Anwendung neuer Technologien.
- mittel: Verfügt über ein breites oder tiefes technisches Wissen und wendet dieses effektiv in verschiedenen Projekten an. Erkennt technische Herausforderungen frühzeitig und ist in der Lage, eigenständig Lösungswege zu entwickeln und umzusetzen.
- hoch: Hat umfassende Expertise in mehreren technischen Bereichen und ist oft federführend bei der Entwicklung neuer Technologien oder innovativer technischer Lösungen. Kann technische Trends antizipieren und treibt die Einführung neuer Technologien voran.
Business- und Prozesswissen
Das Wissen um die Geschäftsmodelle, -prozesse und -vorgänge, sowie darüber hinaus alles was das Business braucht um zu funktionieren.
- niedrig: Verfügt über grundlegendes Verständnis von Geschäftsmodellen, Märkten und Prozessen. Kennt die Basisprinzipien von Finanzen, Vertrieb und Marketing, benötigt jedoch Anleitung bei der praktischen Anwendung und Entscheidungsfindung.
- mittel: Hat ein tiefes Verständnis der Geschäftsstrategien und -prozesse und kann diese auf verschiedene Märkte und Geschäftsfelder anwenden. Erkennt geschäftliche Chancen und Risiken und trifft fundierte Entscheidungen, um Unternehmensziele zu erreichen.
- hoch: Verfügt über umfassendes Business-Know-how auf höchster Ebene und kann komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen und beeinflussen. Entwickelt innovative Geschäftsstrategien und ist in der Lage, ganze Unternehmensbereiche oder Märkte nachhaltig zu gestalten und zu transformieren.
Methodenwissen
Das wissen über verschiedene Methoden in seinem Bereich beispielsweise die objektorientierte Analyse und das Design beim Software Architekten oder die Erstellung eines Business Canvas Models beim Business Architekt.
- niedrig: Kennt die Standardmethoden in seinem Bereich und besitzt erste Erfahrung dabei, diese im Alltag anzuwenden.
- mittel: Findet für auftretende Probleme eigenständig die richtige Methode und wendet diese erfolgreich in Projekten und anderen Vorhaben an.
- hoch: Wendet bestehende Methoden souverän an und entwickelt darüber hinaus neue, eigene Methoden und wendet diese erfolgsbringend für sein Unternehmen an.
Fähigkeiten
Auffassungsgabe
Die Fähigkeit, neue Informationen schnell zu erfassen, zu verstehen und in den entsprechenden Kontext einzuordnen.
- niedrig: Erfasst neue Informationen schnell, benötigt aber Unterstützung bei der Anwendung in neuen Kontexten. Versteht einfache Zusammenhänge, braucht jedoch manchmal Anleitung.
- mittel: Erfasst komplexere Zusammenhänge eigenständig und kann Informationen schnell in verschiedenen Kontexten anwenden. Zeigt ein gutes Verständnis für komplexe Themen und neue Sachverhalte.
- hoch: Erfasst sofort auch sehr komplexe und dynamische Informationen und ist in der Lage, sie umgehend in weitreichende, strategische Entscheidungen zu integrieren. Handelt intuitiv und weitsichtig.
Analytische Fähigkeiten
Die Fähigkeit, komplexe Probleme strukturiert zu analysieren, Zusammenhänge zu erkennen und logische Schlüsse zu ziehen.
- niedrig: Führt einfache Analysen durch, erkennt grundlegende Muster und kann Probleme nach Anleitung strukturieren. Benötigt manchmal Unterstützung bei der Interpretation von Daten.
- mittel: Führt komplexe Analysen eigenständig durch, erkennt tiefere Muster und Zusammenhänge und kann fundierte Entscheidungen auf Basis von Daten treffen.
- hoch: Entwickelt neue Analyseansätze und Modelle, um innovative Lösungen zu generieren. Kann mehrere Perspektiven gleichzeitig berücksichtigen und tief gehende, differenzierte Analysen durchführen.
Kommunikationsfähigkeiten
Die Fähigkeit, Ideen und Informationen klar, präzise und überzeugend sowohl mündlich als auch schriftlich zu vermitteln.
- niedrig: Kommuniziert klar und verständlich in alltäglichen Situationen, braucht jedoch Unterstützung bei schwierigen oder komplexen Gesprächen. Ist offen für Feedback zur Verbesserung.
- mittel: Beherrscht klare, prägnante Kommunikation auch in schwierigen oder heiklen Situationen. Kann Gespräche lenken und Komplexität reduzieren, um wichtige Botschaften zu vermitteln.
- hoch: Kommuniziert auf höchstem Niveau, passt den Stil nahtlos an verschiedene Zielgruppen an und überzeugt in jeder Situation. Ist ein geschätzter Ratgeber und moderiert auch in schwierigen Verhandlungen.
Führungskompetenz
Die Fähigkeit, Teams effektiv zu leiten, Motivation zu fördern und Ziele gemeinsam mit anderen zu erreichen.
- niedrig: Kann sich selbst organisieren und produktiv mit anderen zusammenarbeiten.
- mittel: Führt kleinere Projektteams eigenständig, zeigt erste Führungsqualitäten und kann Aufgaben verteilen, benötigt jedoch Unterstützung in Krisensituationen.
- hoch: Führt größere Projektteams eigenständig, motiviert und inspiriert andere, um gemeinsam Ziele zu erreichen. Meistert schwierige Situationen mit Ruhe und Durchsetzungsvermögen.
Unternehmerisches Denken
Die Fähigkeit, Geschäftschancen zu erkennen, Risiken abzuwägen und innovative Lösungen zur Wertschöpfung zu entwickeln.
- niedrig: Erkennt einfache Geschäftsmöglichkeiten und versteht die Grundlagen des Risikomanagements. Braucht jedoch Anleitung bei der Bewertung von Chancen und Risiken.
- mittel: Entwickelt eigenständig Geschäftsideen, analysiert Markttrends und erkennt wertvolle Gelegenheiten. Kann Risiken fundiert bewerten und geeignete Maßnahmen vorschlagen.
- hoch: Schafft und treibt Innovationen voran, erkennt strategische Chancen frühzeitig und entwickelt langfristige Geschäftsmodelle. Ist in der Lage, Risiken auf höchstem Niveau zu managen und zu minimieren.
Strategisches Denken
Die Fähigkeit, langfristige Ziele zu identifizieren und systematisch Pläne zu entwickeln, um diese zu erreichen.
- niedrig: Versteht die Grundzüge strategischer Planung und kann erste Ziele für Projekte formulieren, braucht jedoch Anleitung bei der Entwicklung langfristiger Pläne.
- mittel: Entwickelt eigenständig Strategien, erkennt externe und interne Einflussfaktoren und plant vorausschauend für langfristige Ziele.
- hoch: Gestaltet die strategische Ausrichtung ganzer Organisationen, antizipiert globale Trends und führt das Unternehmen in neue Geschäftsfelder. Beeinflusst und steuert das große Ganze.
Visionäres Denken
Die Fähigkeit, zukünftige Entwicklungen vorauszusehen und eine inspirierende Zukunftsvision zu schaffen, die andere mitreißt und motiviert.
- niedrig: Ist mit seinem Denken im Hier und Jetzt und fokussiert sich auf die Lösung von Problemen, die vor ihm liegen.
- mittel: Entwickelt Ideen zur Zukunftsgestaltung, benötigt jedoch Hilfe, um diese in einen realistischen Kontext zu setzen und langfristige Visionen zu entwickeln.
- hoch: Formuliert inspirierende Zukunftsvisionen, die innovativ und realistisch sind. Kann andere für diese Vision begeistern und die notwendigen Schritte zur Umsetzung einleiten.
Anwendung des Kompetenzmodells auf Architektenrollen
Anhand der beschriebenen Kompetenzfelder lässt sich erkennen, dass unterschiedliche Architektenrollen verschiedene Schwerpunkte setzen und daher auch unterschiedliche Fähigkeiten erfordern. Es ist wichtig zu verstehen, wie sich diese Kompetenzen auf die jeweiligen Rollen verteilen und welche Entwicklungen für einen Architekten in Betracht kommen.
Software Architekt
Ein Software Architekt benötigt vor allem ein hohes Maß an technischem Wissen und ausgeprägte analytische Fähigkeiten. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Softwarelösungen zu entwerfen und zu implementieren. So stellen sich die Kompetenzfelder für einen Software Architekten dar:
Kompetenzfeld | Anforderungen |
---|---|
Technisches Wissen | hoch |
Business- und Prozesswissen | niedrig |
Methodenwissen | mittel |
Auffassungsgabe | mittel |
Analytische Fähigkeiten | hoch |
Kommunikationsfähigkeiten | mittel |
Führungskompetenz | niedrig |
Unternehmerisches Denken | niedrig |
Strategisches Denken | niedrig |
Visionäres Denken | niedrig |
Business Architekt
Der Business Architekt fokussiert sich auf die Geschäftsprozesse und -strukturen des Unternehmens. Er arbeitet eng mit den Fachabteilungen zusammen, um Geschäftsanforderungen zu verstehen und zu optimieren. Seine Kompetenzfelder sehen so aus:
Kompetenzfeld | Anforderungen |
---|---|
Technisches Wissen | niedrig |
Business- und Prozesswissen | hoch |
Methodenwissen | mittel |
Auffassungsgabe | mittel |
Analytische Fähigkeiten | mittel |
Kommunikationsfähigkeiten | mittel |
Führungskompetenz | mittel |
Unternehmerisches Denken | hoch |
Strategisches Denken | mittel |
Visionäres Denken | mittel |
Solution Architekt
Der Solution Architekt verbindet technische und geschäftliche Aspekte, um umfassende Lösungen zu entwickeln, die den Unternehmenszielen entsprechen. Er benötigt daher ein breites Spektrum an Kompetenzen:
Kompetenzfeld | Anforderungen |
---|---|
Technisches Wissen | mittel |
Business- und Prozesswissen | mittel |
Methodenwissen | hoch |
Auffassungsgabe | hoch |
Analytische Fähigkeiten | hoch |
Kommunikationsfähigkeiten | hoch |
Führungskompetenz | mittel |
Unternehmerisches Denken | mittel |
Strategisches Denken | mittel |
Visionäres Denken | hoch |
Enterprise Architekt
Der Enterprise Architekt nimmt eine strategische Rolle ein und gestaltet die langfristige Ausrichtung der IT-Landschaft in Einklang mit den Unternehmenszielen. Er leitet strategische Initiativen und muss ein Unternehmen von seinen Vorhaben überzeugen können (siehe auch: Aufgaben eines Enterprise Architekten). Die Kompetenzfelder sehen daher so aus:
Kompetenz | Anforderungen |
---|---|
Technisches Wissen | mittel |
Business- und Prozesswissen | mittel |
Methodenwissen | hoch |
Auffassungsgabe | hoch |
Analytische Fähigkeiten | hoch |
Kommunikationsfähigkeiten | hoch |
Führungskompetenz | hoch |
Unternehmerisches Denken | hoch |
Strategisches Denken | hoch |
Visionäres Denken | hoch |
Der Weg zum Enterprise Architekten
Wie aus der Kompetenzmatrix ersichtlich wird, unterscheidet sich der Weg zum Enterprise Architekten deutlich von den Pfaden der anderen Architektenrollen. Während Software und Business Architekten ihre Kompetenzen vertikal in ihrem Fachgebiet erweitern können, erfordert die Rolle des Enterprise Architekten eine horizontale Erweiterung der Fähigkeiten.
Quereinstieg und Weiterentwicklung
Da der Enterprise Architekt weniger tiefes technisches Detailwissen benötigt, aber ein hohes Maß an strategischen, kommunikativen und führungsbezogenen Kompetenzen, ist ein Quereinstieg aus anderen Bereichen wie dem Projektmanagement oder der Unternehmensberatung durchaus sinnvoll. Wichtig ist hierbei die gezielte Entwicklung in den folgenden Bereichen:
- Strategisches und visionäres Denken: Teilnahme an strategischen Projekten, Weiterbildung in Strategieentwicklung.
- Unternehmerisches Denken: Verständnis für Markttrends, Wettbewerbsanalyse und Geschäftsmodellentwicklung.
- Führungskompetenz: Erfahrung in der Leitung von Teams und Projekten, Entwicklung von Leadership Skills.
Empfehlungen für die Karriereplanung
Für angehende Architekten
- Selbsteinschätzung: Analysieren Sie Ihre aktuellen Kompetenzen und identifizieren Sie Bereiche, in denen Sie sich weiterentwickeln möchten.
- Weiterbildung: Nutzen Sie Fortbildungsangebote, um Ihre Fähigkeiten in den Bereichen zu stärken, die für Ihre angestrebte Rolle relevant sind.
- Mentoring: Suchen Sie sich Mentoren in Ihrer Zielposition, um von deren Erfahrung zu profitieren und praktische Einblicke zu erhalten.
Für Unternehmen
- Klare Rollenprofile: Definieren Sie klare Kompetenzanforderungen für jede Architektenrolle, um geeignete Kandidaten zu identifizieren und zu fördern.
- Individuelle Entwicklungspfade: Bieten Sie maßgeschneiderte Entwicklungspläne an, die auf die Stärken und Interessen der Mitarbeiter abgestimmt sind.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Fördern Sie den Austausch zwischen verschiedenen Fachbereichen, um ein ganzheitliches Verständnis zu entwickeln.
Fazit
Unternehmen sind lebendige Organismen, die ständige Anpassung und strategische Ausrichtung erfordern. Architekten spielen eine Schlüsselrolle in diesem Prozess, indem sie Brücken zwischen Technologie und Business schlagen. Ein klar definiertes Kompetenzmodell hilft dabei, die richtigen Talente zu identifizieren und zu entwickeln, um den Herausforderungen der digitalen Transformation erfolgreich zu begegnen.
Indem wir verstehen, dass der Weg zum Enterprise Architekten nicht linear ist und spezifische Fähigkeiten erfordert, können wir bessere Karrierepfade schaffen und sicherstellen, dass unsere Unternehmen für die Zukunft gut aufgestellt sind.
Die Entwicklung vom Software Architekten zum Enterprise Architekten ist kein einfacher Karriereaufstieg, sondern erfordert eine grundlegende Erweiterung und Verschiebung der Kompetenzen. Während technische Expertise weiterhin wertvoll ist, stehen für den Enterprise Architekten strategisches Denken, Führungsqualitäten und ein tiefes Verständnis des Unternehmens im Vordergrund.
Es ist entscheidend, diese Unterschiede zu erkennen und sowohl als Individuum als auch als Unternehmen entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Nur so können Architekten effektiv zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen und ihre Karriere in die gewünschte Richtung lenken.