Was ist KI?
Wenn man nicht gerade mit Experten spricht, wird der Begriff „künstliche Intelligenz“ oft synonym für „der Computer macht etwas, das ich nicht verstehe“ verwendet. Da das Wort in den letzten Jahren zunehmend in Mode gekommen ist, wird es inflationär verwendet. Doch was bedeutet es für ein Unternehmen? Wie kann eine KI-Strategie aussehen, die nicht auf Missverständnissen beruht? Und warum braucht meine Kaffeemaschine keine künstliche Intelligenz und kann dennoch einen guten Kaffee zubereiten?
Bei einer KI-Strategie geht es in erster Linie darum, Kosten zu vermeiden. Denn es ist leicht, auf den Hype-Train aufzuspringen und „irgendwas mit KI zu machen“. Am Ende hat man etwas getan, was mit Kanonen auf Spatzen geschossen wurde, hat viel Geld verbrannt und zum Schluss doch keine Lösung. Daher empfiehlt es sich, zunächst die Probleme zu identifizieren, die gelöst werden sollen. Idealerweise wird für jedes Problem die Lösung gewählt, die den geringsten Aufwand erfordert und die geringsten Kosten verursacht. Es gibt mehrere Möglichkeiten, Probleme und Lösungen in der Informatik zu klassifizieren. Im Folgenden wird eine praxisnahe Klassifizierung vorgestellt. Anschließend wird beschrieben, in welchen Bereichen für ein Unternehmen heute Handlungsbedarf in Bezug auf KI besteht.
Klassifizierung
Regelbasierte Algorithmen
Regelbasierte Algorithmen sind in vielen Bereichen im Einsatz. Sie umfassen einfache Dinge wie die Programmierung eines Lichtschalters in einem Smart-Home („Wenn die Dämmerung beginnt, schalte das Licht an“) über komplexere PID-Regler, die zum Beispiel gute Kaffeemaschinen steuern, bis hin zu Geschäftsprozessen, die per BPMN modelliert werden können. Regelbasierte Algorithmen umfassen alle Vorgänge, die mit Regeln beschrieben und in vernünftiger Zeit abgearbeitet werden können. Wie bereits dargestellt, können diese Vorgänge sowohl einfach als auch komplex sein. Auch die klassische Software-Entwicklung ist ein regelbasierter Algorithmus. Ein Betriebssystem stellt einen besonders komplexen Algorithmus dar. Die Algorithmen müssen nicht immer stimmig sein und können sich in Details auch widersprechen oder uneindeutig sein – wie gelegentlich bei bürokratischen Prozessen.
Regelbasierte Algorithmen, in Form von Software umgesetzt, stellen für die meisten Probleme eine praktische und einfache Lösung dar. Es empfiehlt sich daher, zunächst zu prüfen, ob ein vorliegendes Problem regelbasiert gelöst werden kann. Erst wenn sich eine regelbasierte Lösung nicht eignet, sollten alternative Strategien in Betracht gezogen werden.
Stochastik
Die Stochastik befasst sich mit der Mathematik großer Datenmengen und dem Zufall. Stochastische Lösungen finden überall dort Anwendung, wo mit variablen statt klar definierten Werten und Regeln gearbeitet wird. Dabei werden Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt. Ein Beispiel für den Einsatz stochastischer Methoden ist die tägliche Wettervorhersage, bei der Aussagen wie „Niederschlagswahrscheinlichkeit von 30 %“ getroffen werden.
In der Regel findet die Stochastik dort Anwendung, wo keine festen Vorhersagen, sondern lediglich Prognosen möglich oder nötig sind. Ein Beispiel aus dem Unternehmensalltag ist die Prognose der Ankunftswahrscheinlichkeit einer Lieferung. Die Stochastik ermöglicht die Berechnung eines Zeitfensters für die Ankunft eines LKW mit einer Lieferung. Beispielsweise kann so die Wahrscheinlichkeit, dass der LKW mit der Lieferung zwischen 13 und 17 Uhr eintrifft, mit 70 % angegeben werden. In der Informatik sind viele Lösungen im Umfeld von Big Data stochastische Lösungen.
Heuristiken
Eine Heuristik ist eine Methode, die es trotz unvollständiger Informationen über ein Problem erlaubt, dennoch in kurzer Zeit praktikable Lösungen zu erhalten. Ein Beispiel für eine Heuristik, mit der jeder von uns täglich konfrontiert wird, ist die Spam-Filterung von E-Mails. Während regelbasierte Algorithmen versuchen, die optimale Lösung zu finden, was teilweise sehr lange dauern kann, zielen heuristische Verfahren auf eine Lösungsfindung mit optimierten Laufzeiten ab. Im Kontext der E-Mail-Filterung ist es von entscheidender Bedeutung, dass eine E-Mail in Sekundenbruchteilen klassifiziert wird. Auch wenn gelegentlich ein Fehler passiert, ist die Klassifizierung meistens korrekt. Die Alternative wäre eine tagelange Prüfung gegen alle möglichen Regeln. Das Ergebnis wäre zwar besser, allerdings wäre es nutzlos, da sich die E-Mail zu diesem Zeitpunkt bereits erledigt haben kann.
Auch bei Problemen, bei denen eine optimale Lösung nicht möglich oder nicht erforderlich ist, kommen heuristische Lösungen zum Einsatz. Im Unternehmensalltag kann dies beispielsweise das Platzieren von Maschinen in einer Werkhalle oder die Wegfindung für eine Routenplanung (mit einem Ameisenalgorithmus) sein.
Neuronale Netze
Ein neuronales Netz - oder korrekter: ein künstliches neuronales Netzwerk (KNN) - ist eine Struktur, die der Struktur der Neuronen im menschlichen Gehirn nachempfunden ist. Mit einem KNN können Computer Probleme lösen, die zu komplex sind, um sie mit Regeln zu beschreiben, für die es aber genügend Beispiele gibt, die als Lösung dienen können. Das neuronale Netzwerk macht nichts anderes, als die Regeln des Algorithmus, die wir nicht erkennen können, selbst zu finden. Mit mehr Daten lernt das Netz dazu und ändert dann auch selbstständig die Regeln.
Künstliche Neuronale Netze sind in mehreren Schichten organisiert. Neben den obligatorischen Eingangs- und Ausgangsschichten gibt es je nach Netz mehr oder weniger viele verborgene Schichten („hidden layer“). Werden sehr viele verborgene Schichten verwendet, ermöglicht dies die Verarbeitung und Analyse komplexer Datenmuster und wird als Deep Learning bezeichnet. Neuronale Netze werden vor allem zur Mustererkennung, zur Verarbeitung natürlicher Sprache und zur Generierung von Texten und Bildern eingesetzt.
Mustererkennung
Mustererkennung ist das Erkennen von Mustern - in Form von Regelmäßigkeiten, Ähnlichkeiten oder anderen Gesetzmäßigkeiten - in einer Datenmenge. Auch das Erkennen von Abweichungen von bestehenden Mustern gehört zur Mustererkennung.
Im Unternehmensalltag kann die Mustererkennung zum Beispiel bei der Erkennung von Schäden an Fahrzeugen eingesetzt werden - oder mit Hilfe von Überwachungskameras als Diebstahlerkennung. In beiden Fällen werden Vorher-Nachher-Bilder verglichen und auftretende Unterschiede durch das KNN erkannt. Im ersten Fall würde beispielsweise ein Schaden an einem Mietwagen erkannt, im zweiten Fall, dass etwas aus einem Regal fehlt.
Sprachverarbeitung
Ein KNN kann auch zur Erkennung und Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing - NLP) eingesetzt werden. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür ist Alexa von Amazon. Das neuronale Netzwerk verarbeitet, was man ihm sagt und übersetzt die natürliche Sprache in konkrete Anweisungen. Im Unternehmensalltag kann ein KNN für NLP auch zum Scannen und Speichern von Dokumenten eingesetzt werden. Im Gegensatz zur früher verwendeten OCR-Software liefert eine KNN-basierte OCR-Software wesentlich bessere Ergebnisse und kann auch Dinge wie die Verschlagwortung von gescannten Dokumenten direkt mitliefern.
Text- und Bildgenerierung
Sollen Texte und Bilder nicht nur erkannt, sondern auch generiert werden, kommen Neuronale Deep Learning Netzwerke mit Transformer-Architektur zum Einsatz. Besonders bekannt geworden sind in diesem Zusammenhang die Generative Pre-Trained Transformers (GPT). Ein GPT ist ein Deep Learning Netzwerk, das mit einem großen Sprachmodell ( Large Language Model - LLM) trainiert wurde.
GPTs können Texte, Bilder und sogar Videos nicht nur erkennen, sondern auch generieren und bei Bedarf transformieren. Dies ist besonders nützlich, wenn ein Text von einer Sprache in eine andere übersetzt werden soll. Oder wenn sogar ganz neue Texte geschrieben werden sollen.
Neben dem unbestreitbaren Nutzen einer guten Textübersetzung kommen GPTs im Unternehmen überall dort zum Einsatz, wo Texte oder Bilder generiert werden müssen:
- zur Erstellung von Dokumentationen und Präsentationen
- zur Illustration von Dokumenten
- für die Kommunikation mit Kunden
Bei den GPTs kann unterschieden werden zwischen generischen, multimodalen GPTs wie GPT-4 von OpenAI, Gemini von Google, Llama von Meta oder Phi3 von Microsoft - und spezialisierten GPTs wie DeepL oder Clarifia. Die generischen GPTs sind für alles geeignet - die spezialisierten jeweils für einen bestimmten Anwendungszweck, den sie besser beherrschen als die generischen Modelle. Zum Beispiel kann ChatGPT (basierend auf GPT-4) auch Texte vom Englischen ins Deutsche übersetzen. DeepL macht aber genau diese Aufgabe besser und schneller. Strategisch relevant ist also nicht nur die Frage, ob ein GPT benötigt wird. Sondern auch welcher.
Artificial General Intelligence
Artificial General Intelligence (AGI) ist eine noch hypothetische Software, die in der Lage ist, jedes Problem zu verstehen und jede Lösung zu finden, die auch ein Mensch finden kann. Es gibt viele Spekulationen darüber, wie lange es noch dauern wird, bis eine AGI entwickelt werden kann. Sie schwanken zwischen “noch 2024” und “nie”. Ich bin gespannt, was sich als richtig erweisen wird.
Im Unternehmensalltag würde eine AGI wahrscheinlich weniger dazu dienen, Probleme zu lösen, als vielmehr dazu, neue Probleme zu finden. Eine AGI könnte ein Unternehmen analysieren und dann sagen, in welche Geschäftsfelder man expandieren könnte oder welche Fähigkeiten dem Unternehmen noch fehlen, um effizienter zu arbeiten. In einer konkreten KI-Strategie muss man sich heute aber noch nicht mit AGI beschäftigen. Denn dann steht ein Unternehmen vor einer ganz anderen Herausforderung: Wenn die AGI selbstständig Geschäftsfelder entdecken und in diese expandieren kann: Wozu braucht es dann noch Menschen im Unternehmen?
KI-Strategie für eine Lösungsarchitektur
Für eine Lösungsarchitektur, die eine oder mehrere Anwendungen oder Projekte umfasst, ist es wichtig zu wissen, welche Art von Problem vorliegt und welche Art von Lösung angemessen ist. Die eingangs vorgestellte Klassifizierung ist dafür eine gute Methode. Sie hilft, die richtige Lösung für ein einzelnes Problem zu finden. Innerhalb einer Lösungsarchitektur können auch mehrere Arten von Lösungen zum Einsatz kommen - klassische und KI-basierte. Amazons Alexa zum Beispiel verwendet Natural Language Processing, um Stimmen und Anweisungen zu erkennen. Die Verarbeitung der Anweisungen im Hintergrund erfolgt jedoch weitgehend regelbasiert. Letztlich kommt es darauf an, die richtige Lösungsstrategie für ein (Teil-)Problem einzusetzen, damit die Lösung effizient und kostengünstig ist.
Die folgende Grafik kann bei der schnellen Klassifizierung eines Problems helfen:
KI-Strategie für ein Unternehmen
Um abzuleiten, wo ein Unternehmen in KI investieren sollte, identifiziert man in der Enterprise Architektur über eine (hoffentlich vorhandene) Business Capability Map die Geschäftsfähigkeiten eines Unternehmens, die am meisten von KI-Algorithmen profitieren können. Das Ergebnis ist eine Heatmap über der Business Capability Map, die Handlungsfelder für mögliche Investitionen aufzeigt. Da diese Methodik jedoch die gleiche ist, um die meisten technologischen Innovationen und deren Nutzen für ein Unternehmen zu identifizieren, werde ich hier nicht weiter darauf eingehen. Ich möchte mich auf die folgenden generischen Handlungsfelder konzentrieren, die in sehr vielen Unternehmen vorhanden sein dürften.
Mitarbeiterqualifikation
Künstliche neuronale Netze sind keine Wundermittel, die über Nacht Heerscharen von Menschen arbeitslos machen. Aber gerade die GPTs werden Auswirkungen auf Unternehmen haben. Ein GPT wird aus einem Buchhalter keinen Programmierer machen. Aber es kann aus einem guten Programmierer einen sehr guten Programmierer machen, indem es die Produktivität und Effizienz steigert. So dass insgesamt weniger Programmierer in einem Unternehmen benötigt werden. Dasselbe gilt für alle anderen Berufe, die Bilder oder Texte erstellen - Werbetexter, technische Redakteure, Journalisten, Illustratoren usw. GPTs unterstützen auch bei der Erstellung von Präsentationen und beim Überarbeiten, Formulieren und Korrigieren von Texten aller Art. DeepL Write spart mir sehr viel Zeit, die ich früher in Korrekturläufe investiert habe, um Rechtschreib- oder Kommafehler zu finden. So kann ich mich auf das Wesentliche konzentrieren - die Texte.
Generell sind kreative Berufe durch GPTs stark gefährdet. Zwar wird es noch einige Jahre dauern, bis ein GPT den Literaturnobelpreis oder den Pulitzer-Preis gewinnt. Da aber nur sehr wenige Menschen diese Preise gewinnen, sollte dies niemanden in Sicherheit wiegen. Die allermeisten kreativen menschlichen Werke sind im wahrsten Sinne des Wortes durchschnittlich. Und das kann auch ein GPT erreichen - bei Texten, bei Bildern, bei Musik und langsam auch bei Videos. Wir werden also eine Flut von Inhalten erleben oder erleben sie bereits, wenn man bei Amazon nachschaut, wie viele Bücher in den letzten Monaten im Selbstverlag erschienen sind.
Ein Unternehmen kann sich auf den Einsatz von GPTs vorbereiten, indem es in die Ausbildung seiner Mitarbeiter investiert und versucht, aus mittelmäßigen Mitarbeitern gute Mitarbeiter zu machen, um später mit Hilfe von GPTs sehr gute Mitarbeiter zu haben und so langfristig die Gesamtzahl der Mitarbeiter zu reduzieren und dennoch den Output zu erhöhen. Dabei helfen einerseits formale, zielgerichtete Ausbildungsprogramme. Andererseits hilft es aber auch, ganz informell den Spieltrieb der Menschen zu fördern, indem KI-basierte Cloud-Dienste unternehmensweit abonniert und die Mitarbeiter ermutigt werden, diese zu nutzen. Das baut Hemmungen und Ängste vor der neuen Technologie ab und integriert sie in den Alltag der Menschen. Für Softwareentwickler sollte man noch einen Schritt weiter gehen und konkrete Testballons starten, um dort nicht nur die Nutzung, sondern auch die Entwicklung von KI-Lösungen zu trainieren.
Kundenansprache
Die großen Suchmaschinen Google und Bing sind dabei, die Art und Weise der Kundenansprache zu verändern. Google baut seine Suche bereits mit Gemini um und Microsoft bietet seit einiger Zeit den Copilot an. Künftig wird man nicht mehr einen Suchbegriff in das Suchfeld eingeben, sondern eine Frage - und bekommt die Antwort direkt auf der Seite des Suchmaschinenanbieters. Klassische Suchergebnisse wird es zwar noch eine Weile geben - sie werden aber weniger prominent präsentiert als bisher.
Das hat zur Folge, dass ein Nutzer bei der Suche nach “Projektmanagement” nicht mehr auf die Seite eines Projekthauses springt, das einen guten, SEO-optimierten Artikel zum Thema verfasst hat. Stattdessen bleibt er auf der Seite des Suchmaschinenanbieters und seine Fragen werden dort direkt beantwortet - auch mit Hilfe eines Chatbots. Das bedeutet, dass Suchmaschinen in Zukunft viel weniger zur Kundengewinnung genutzt werden können als in den letzten Jahren. Dies hat massive Auswirkungen auf die SEO-Branche.
Umgekehrt erhöht es die Einnahmen der Suchmaschinenanbieter: Google wird die Platzierung von Werbung im Umfeld der Gemini-Antwort erlauben. Damit ein Link zu einer Unternehmensseite in Zukunft prominent bei Google platziert wird, muss also in jedem Fall eine Gebühr bezahlt werden. Durch organisches Wachstum in den Suchergebnissen kann sich ein Unternehmen nicht mehr platzieren.
Das Ganze wird noch einen Schritt weiter gehen, wenn sich Copilot und Gemini zu persönlichen Assistenten weiterentwickeln. Sie können dann alle Fragen beantworten und Aufgaben erledigen, für die heute noch Websites genutzt werden - zum Beispiel einen Tisch im Restaurant reservieren.
Da diese persönlichen Assistenten naturgemäß sehr viele Daten sammeln, bin ich gespannt, wie die Nutzer das annehmen werden. In den USA sind die Nutzer grundsätzlich offener für das Sammeln von Daten als in Europa. Es ist also noch nicht ausgemacht, ob die Assistenten alltäglich werden oder in einer Nische bleiben. Ein Unternehmen sollte auf beide Fälle vorbereitet sein. Bleiben sie eine Nische, braucht es weiterhin eine gute Website mit guten Texten und einer technischen und inhaltlichen SEO-Optimierung. Setzen sie sich auf breiter Front durch, kann ein Unternehmen sie wahrscheinlich auch über APIs mit Informationen füttern und so auf sich aufmerksam machen.
Vielleicht wird diese Entwicklung auch den Branchenverzeichnissen wieder Auftrieb geben - wenn sie nicht mehr aussehen und funktionieren wie abgetippte Telefonbücher.
Werbung
In der Werbung wird viel Kreativität eingesetzt. Wobei man darüber streiten kann, ob Kreativität “aus dem Innersten der menschlichen Seele” kommt oder nur eine neue Kombination von Gesehenem, Gehörtem oder anderweitig Wahrgenommenem ist. Ich möchte hier nicht in die psychologischen und philosophischen Tiefen hinabsteigen. Wahrscheinlich ist es ein bisschen von beidem. Aber vor allem letzteres können GPTs sehr gut. Das bedeutet, dass gute Werbeagenturen noch besser werden und schlechte von Unternehmen nicht mehr gebraucht werden.
Wenn man in Zukunft ein Produkt präsentieren will, muss man kein aufwändiges Fotoshooting mehr organisieren. Man macht ein paar gute, neutrale Fotos von seinem Produkt und lässt einen Bildgenerator den Rest erledigen. So ist es beispielsweise sehr einfach, ein Möbelstück in verschiedenen Einrichtungsstilen zu zeigen. Über die oben erwähnten persönlichen Assistenten, die Bilder der eigenen Wohnung haben könnten, kann man sich das Möbelstück zusätzlich direkt zu Hause ansehen. Nach dem gleichen Prinzip werden in Zukunft immer weniger Models benötigt. Man generiert ein virtuelles Model und “zieht” diesem die Kleidung an, die beworben werden soll. Aufwändige und teure Fotoshootings sind nicht mehr nötig. Bei Leonardo kann man heute schon sehen, in welch absurd guter Qualität das möglich ist.
Auch wenn es darum geht, Werbeslogans zu finden, werden GPTs unterstützen können. Auch hier wird KI sicher nicht die Top 10% der Werbeslogans erfinden. Aber die 90% der Wald- und Wiesenslogans, die man täglich im Radio hört, sind kein Problem. Eine kurze Aufforderung an GPT-4o mit folgendem Text " Gib mir 5 Werbeslogans für Mineralwasser, die im Radio laufen könnten" ergab folgendes Ergebnis:
- “Pure Erfrischung - Unser Mineralwasser, direkt von der Quelle zu Ihnen!”
- “Spüren Sie die Frische - mit jedem Schluck unseres reinen Mineralwassers.”
- “Natürlich. Klar. Erfrischend. Genießen Sie unser Mineralwasser!”
- “Für den perfekten Moment - Unser Mineralwasser schenkt Ihnen pure Lebensfreude.”
- “Durstlöscher der Natur - Vertrauen Sie auf die Kraft unseres Mineralwassers.”
Keine Geniestreiche, aber ich habe schon Schlechteres gehört. Auch Sprecher für den Slogan sind in Zukunft überflüssig, denn die GPTs beherrschen die Sprachsynthese immer überzeugender. Computerstimmen klingen nicht mehr so hölzern wie Alexa oder wie man sich sprechende Roboter in den 60er Jahren vorstellte.
Unternehmen sollten also darüber nachdenken, ihre Mitarbeiter in der Marketingabteilung im Sinne der oben genannten Qualifizierung so zu schulen, dass die meisten kreativen Aufgaben direkt im Unternehmen erledigt werden können. Das Marketingbudget könnte reduziert oder für die wirklich wichtigen Kampagnen eingesetzt werden.
Prozesseffizienz
Im soeben dargestellten Bereich des Marketings geht es letztlich darum, die Prozesse rund um das Marketing effizienter zu gestalten. Das gilt natürlich auch für andere Prozesse im Unternehmen. Daher ist es für ein Unternehmen sinnvoll, sich einen Überblick über seine Prozesse zu verschaffen, diese zunächst zu entschlacken und dann zu digitalisieren. Die Verbesserung und Verschlankung der Geschäftsprozesse sollte auf jeden Fall vor der Digitalisierung erfolgen. Denn erstens spart es viel Geld, vereinfachte, effiziente Prozesse zu digitalisieren statt aufgeblähte, komplexe Prozesse. Und zweitens sind schlechte Prozesse, die digitalisiert werden, am Ende auch schlechte digitale Prozesse.
Mit Hilfe der oben dargestellten Klassifizierung können Geschäftsprozesse auch daraufhin untersucht werden, welche Art von Problem sie lösen sollen und welche Lösung am sinnvollsten ist. Auch hier wird nicht immer ein neuronales Netz die optimale Lösung sein.
Datenverfügbarkeit
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber wegen seiner Bedeutung wird es hier gesondert hervorgehoben:
Alle Algorithmen brauchen Daten!
Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um regelbasierte Algorithmen oder neuronale Netzwerke handelt: Um für die Zukunft gerüstet zu sein, ist es für ein Unternehmen überlebenswichtig, seine Daten zu beherrschen. Maßnahmen wie eine API-Strategie, ein Unternehmensdatenmodell oder die Einführung von Data Lakes schaffen dafür die Grundlagen. Diese Maßnahmen sind nicht allein für eine KI-Strategie notwendig, leisten aber einen unverzichtbaren Beitrag dazu. Um die oben dargestellte Kundenansprache auf eine neue Ebene zu heben, benötigt ein Unternehmen Daten über seine Kunden und Produkte. Diese müssen in einer Form vorliegen, die Suchmaschinen leicht zugänglich ist. Ohne eine moderne Strategie für den Umgang mit Unternehmensdaten wird dies schwierig.
Sicherheit
KI verändert die Sicherheitslage in Unternehmen sowohl auf menschlicher als auch auf technischer Ebene. Auf der technischen Ebene wird es in Zukunft mehr Angriffe auf Unternehmenssysteme geben, da mit Hilfe von neuronalen Netzen Schwachstellen in Anwendungen einfacher und schneller gefunden werden können. Die technischen Sicherheitsmaßnahmen müssen hier Schritt halten - aber das ist das Thema eines weiteren Artikels: Sicherheitsarchitektur.
Auf menschlicher Ebene stellt sich das Problem, dass computergenerierte Stimmen nicht mehr von menschlichen Stimmen unterschieden werden können. Zusammen mit gefälschten Rufnummern ermöglicht dies täuschend echte Anrufe mit völlig gefälschten Aussagen, wie z.B. die Überweisung hoher Geldbeträge auf ein falsches Konto. Mit Hilfe der Deepfake-Technologie können diese gefälschten Anrufe sogar auf Videoanrufe ausgeweitet werden.
Für beide Sicherheitsebenen - die technische und die menschliche - ergeben sich durch KI qualitativ keine neuen Herausforderungen, die es bisher nicht gab. Die Quantität ändert sich jedoch. Das heißt, die Angriffe werden einfacher und damit häufiger. Auch hier führt kein Weg an der weiteren Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorbei. Nur durch Schulung und Sensibilisierung können diese Angriffe verhindert werden.
Fazit
Wie bei allen neuen Technologien seit der Erfindung des Rads wird es auch bei der künstlichen Intelligenz Gewinner und Verlierer geben. Die KI-Technologie ist zudem eine Basisinnovation, die technisches Neuland erschließt und weitere Innovationen nach sich ziehen wird, die wir heute noch gar nicht absehen können. Sie ist damit vergleichbar mit der Elektrizität oder dem Internet selbst. Thomas Edison und Nikola Tesla konnten damals nicht ahnen, was wir 100 Jahre später alles mit Elektrizität machen würden. Ähnlich wird es uns mit der KI ergehen. Aber unabhängig davon ist es immer gut, vorbereitet zu sein und eine Strategie zu haben.